Heide - Etwa 20 Prozent aller Menschen verlieren zumindest einmal im Leben ihr Bewusstsein, geraten in Ohnmacht. Und bis zu fünf Prozent aller Krankenhauseinweisungen erfolgen aufgrund eines kurzfristigen Bewusstseinsverlustes. Die Ursache ist in den meisten Fällen harmlos und wird durch eine vorübergehende Unterversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff ausgelöst. Der Arzt spricht dann von einer Synkope. Treten die Ohnmachtsanfälle mehrfach oder sogar immer wieder auf, müssen sich die behandelnden Ärzte auf die nicht immer ganz einfache Suche nach der Ursache machen. Das Westküstenklinikum Brunsbüttel hat dazu eine spezielle Diagnoseeinheit in der Abteilung für Innere Medizin eingerichtet. Da es in Deutschland nur wenige Praxen und Kliniken gibt, die ein solches Untersuchungsprogramm anbieten, werden jährlich circa 200 Patienten aus ganz Norddeutschland in Brunsbüttel untersucht.
"Um der Ursache der Ohnmachtsanfälle auf die Spur zu kommen, haben wir einen so genannten Kipptisch angeschafft, der uns hilft, unter fachlicher Aufsicht und streng kontrolliert eine Ohnmacht hervorzurufen", erläutert Dr. Henrik Herrmann, Chefarzt der Abteilung. Tatsächlich spürt der Patient nichts, wenn er sich auf der schwenkbaren Liege befindet und langsam in die fast senkrechte Position gedreht wird. Gleichzeitig werden in jeder Lage Herzfrequenz und Blutdruck dokumentiert. Außerdem gibt es auch zur Überwachung eine Videokamera, deren Aufzeichnung dem Arzt später hilft, die Entwicklung und den genauen Zeitpunkt der Synkope zu ermitteln.
"Wir können mit Hilfe des Kipptisches bei etwa der Hälfte der Patienten einen kurzfristigen Ohnmachtsanfall provozieren. Das hilft uns, die richtige Therapie, meistens Medikamente, zu empfehlen", erklärt Dr. Holger Käferlein, Leitender Oberarzt und federführend bei der Synkopen-Diagnostik. Neben dem Kipptisch nutzen Dr. Käferlein und seine Kollegen weitere Optionen zur Diagnostik wie etwa ein Langzeit-EKG oder auch andere telemetrische Überwachungen der wichtigsten Körperfunktionen. In allen Fällen wird zudem die Neurologin Sabine Studt hinzugezogen, die im Haus des Klinikums ihre Praxis betreibt.
Die Ursachen für einen kurzfristigen Bewusstseinsverlust können sehr vielfältig sein. Etwa ein Drittel ist auf einen gestörten Kreislauf oder Herzrhythmusstörungen zurück zu führen. Weitere 11 Prozent gehen auf das Konto neurologischer Störungen und 21 Prozent erfolgen aufgrund diverser Ursachen wie zum Beispiel Unterzuckerung, Hyperventilation, Stoffwechselentgleisungen oder Sauerstoffmangel. Die häufigste Form der Ohnmacht bei ansonsten gesunden Menschen ist die "vasovagale Synkope"; dabei wird das Nervensystem extrem aktiv und belastet den Patienten mit Herzrasen, Übelkeit und Schweißausbrüchen. Meistens fällt dann der Blutdruck stark ab und die Ohnmacht tritt ein. Darüber hinaus gibt es - unter anderem - noch die orthostatische Synkope, bei der eine Fehlregulation im Gehirn zu einem schnellen Blutdruckabfall führt.
Im Prinzip können die Untersuchungen ambulant ohne stationäre Aufnahme durchgeführt werden, wenn die notwendige Basisdiagnostik schon durchgeführt wurde. Ein Patient benötigt jedoch eine entsprechende Eirweisung durch den behandelnden Haus- oder Facharzt.
28.09.2010
Ohnmacht - auf der Suche nach den Ursachen

Chefarzt Dr. Herrmann.

Chefarzt Dr. Herrmann.

Chefarzt Dr. Herrmann.