Heide/Brunsbüttel - "Die Krankenkassen setzen die Zukunft des Westküstenklinikums Brunsbüttel aufs Spiel!" Mit diesen Worten reagierte Dr. Jörn Klimant, Aufsichtsratsvorsitzender der Westküstenklinik Brunsbüttel und Heide gGmbH auf das "Nein" der Kassen zu einem Sicherstellungszuschlag. Bei den jüngsten Budgetverhandlungen in dieser Woche hatten die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen die Sonderfinanzierung des Brunsbütteler Krankenhauses abgelehnt. Die Tochtergesellschaft des Kreises Dithmarschen wird damit im kommenden Jahr auf einem Defizit von etwa 1,6 Millionen Euro sitzen bleiben.
Auch WKK-Geschäftsführer Harald Stender zeigte sich bestürzt. "Wir dachten, die Angelegenheit sei längst in trockenen Tüchern. Doch jetzt bestimmen offenbar Vorstandsvorsitzende in Dortmund, wie es mit den schleswig-holsteinischen Krankenhäusern weitergeht", sagte Stender in Anspielung auf die AOK Nordwest, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen hat. Tatsächlich sieht er den Gesinnungswandel im "Desinteresse der Kassen für Schleswig-Holstein" begründet. "Die Vorstände sitzen in dicht besiedelten Gebieten und können sich daher gar nicht vorstellen, wie aufwendig es ist, in einem Gebiet wie Dithmarschen unter den schlechten Finanzierungsbedingungen einen Rund-um-die-Uhr-Notdienst in einer ländlichen Region aufrecht zu erhalten."
Bereits seit Jahren schreibt das WKK Brunsbüttel rote Zahlen, und zwar aus mehreren Gründen. Der ländliche Einzugsbereich ist zwar groß, die Zahl der Patienten aber wegen der dünnen Besiedlung eher gering. Dennoch muss rund um die Uhr ein Notdienst mit Ärzten und Pflegekräften aufrechterhalten bleiben, um Verletzte oder akut erkrankte Patienten behandeln zu können.
An der schleswig-holsteinischen Westküste gibt es für die Krankenhäuser eine der schlechtesten Vergütungen im gesamten Bundesgebiet. Die Westküstenkliniken müssen zudem erheblich mehr Geld für die Gewinnung von Ärzten und Fachkräften aufwenden als Krankenhäuser in Kiel oder Dortmund. Außerdem müssen die Verantwortlichen mit einer immer schlechter werdenden Versorgung mit Landärzten rechnen. Folglich werden Krankenhäuser wie Brunsbüttel bei der älter werdenden Bevölkerung in der gesamten Wirtschaftsregion immer stärker nachgefragt. "Wir haben schon jetzt bundesweit die meisten kurzstationären Aufenthalte in Dithmarschen, sind also stets der Ausfallbürge für die Krankenkassen, die den Patienten eine Versorgung vor Ort versprechen", erläuterte Harald Stender.
Die Forderung der Kassen, den nächtlichen Notdienst und die Intensivmedizin in Brunsbüttel komplett einzustellen, halten sowohl Dr. Jörn Klimant, als auch Harald Stender angesichts der 3,9 Milliarden Euro Überschüsse bei den Kassen für absurd. Immerhin verfügt Brunsbüttel mit dem ChemCoast Park über das größte zusammenhängende Industriegebiet des Landes, in dem ebenfalls rund um die Uhr gearbeitet wird. Arbeitsunfälle könnten daher nachts und an den Wochenenden nicht mehr vor Ort behandelt werden; stattdessen müssten die Patienten nach Heide oder Itzehoe gefahren oder geflogen werden. Auch die Patienten in den entlegenen Gebieten wie zum Beispiel in den südlichen Kögen des Kreises könnten aufgrund der extrem langen Anfahrtzeiten nach Heide nicht zeitgerecht versorgt werden.
Den Verhandlungen vorausgegangen war eine einjährige Diskussion über den Sicherstellungszuschlag, an dem neben den regionalen Vertretern der Krankenkassen und dem Westküstenklinikum auch das schleswig-holsteinische Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit beteiligt war. Alle waren sich letztendlich einig, dass genügend Gründe vorliegen, um dem WKK Brunsbüttel ähnlich den Krankenhäusern auf Föhr, Sylt und Fehmarn einen Zuschlag zu gewähren. Das galt, als sich Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg Ende August in Brunsbüttel zum Klinikstandort bekannte, und auch noch im November, als der Chef des Ersatzkassenverbandes, Dietmar Katzer, eine einvernehmliche Lösung signalisierte - allerdings "vorbehaltlich der Zustimmung seiner Gremien". Und genau dort spitzt sich das Problem zu. Denn während sich die Experten in Schleswig-Holstein für den Sicherstellungszuschlag aussprechen, werden die Pläne in den entfernten Zentralen der AOK und der Betriebskrankenkassen abgelehnt.
Landrat Dr. Klimant und Geschäftsführer Stender werden jetzt das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium bitten, eine verwaltungsrechtliche Entscheidung zugunsten eines Sicherstellungszuschlages zu treffen. Beide fordern die AOK und die Betriebskrankenkassen auf, darüber nachzudenken, ob sie im Falle einer positiven Entscheidung des Ministeriums in das Klageverfahren gehen wollen.
22.12.2011